In Schule, Elternhaus und im öffentlichen Raum sowie auch in unserer Arbeit mit Jungen* fallen immer wieder einzelne Jungen* durch lautstarkes, raumgreifendes, dominantes und aggressives Verhalten auf. Zudem sind diese Jungen* auch fortwährend auch in Konflikte verstrickt.
Andere Jungen* hingegen wirken zurückgezogen, sind eher still und unauffällig. Oft sind gerade diese Jungen* leider auch Opfer verbaler und tätlicher Gewalt durch ihre Mitschüler*innen und andere Gleichaltrige.
Beide - die lauten, auffälligen wie auch die stillen, zurückgezogenen Jungen* - haben bei genauerem Hinsehen oft wenig Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit. Die einen inszenieren sich, agieren fortwährend und zeigen eine raue Schale, sind jedoch in ihrem Innern sehr unsicher und fragil. Bei den anderen ist der mangelnde Selbstwert oft offensichtlich. Gemeinsam ist beiden Spielarten des Junge*Seins die Verstrickung in Konflikte. Beiden fehlt es oft an alternativen Handlungs- und Verhaltensmöglichkeiten für ihren Alltag und insbesondere auch für  konfliktträchtige Situationen. Beide bedürfen unserer Ansicht nach einer Stärkung ihrer Identität sowie der Unterstützung bei der Wahrnehmung und Nutzbarmachung ihrer Ressourcen und Potenziale.
Aus jungenarbeiterischer Sicht zeigen sich bei diesen Jungen* - so verschieden die Erscheinungsweisen auf den ersten Blick auch zu sein scheinen - Unsicherheiten im Hinblick auf ihr Junge*Sein sowie ein Scheitern an geschlechtlichtsbezogenen Anforderungen und Erwartungen, ihren eigenen ebenso wie auch jenen, die von verschiedenen Seiten an sie gerichtet werden.

Grafik1.png

Zielgruppe

Zielgruppe für das Angebot sind Jungen* zwischen 9 und 11 bzw. 12 und 14 Jahren, da gerade in diesem Alter die Suche nach einer eigenen Identität im Vordergrund steht und die auffälligen, sozial unverträglichen Verhaltensweisen noch nicht verfestigt sind. Identitätsstiftende und -stärkende Angebote sind aus unserer Sicht in dieser Altersgruppe besonders erfolgversprechend.

Angebots- und Arbeitsform

Weil das Thema eine geschlechtliche Dimension hat, die berücksichtigt und bearbeitet werden muss, halten wir eine Arbeit in einer kleinen und überschaubaren (bis zu 8 Jungen*), geschlechtshomogenen Gruppe für angezeigt. Hier können die einzelnen Jungen* erkennen, dass sie mit mit ihren Erfahrungen und den daraus entwickelten Handlungsstrategien nicht allein dastehen und können sich solidarisch zeigen sowie sich gegenseitig stützen und unterstützen. Die geschlechtshomogene Jungen*gruppe bietet uns die Möglichkeit, alternative Erfahrungsräume im Hinblick auf Kontaktaufnahme und Beziehungsgestaltung unter Jungen* frei von Wettbewerb und Konkurrenz zu eröffnen. Insbesondere auch die Arbeit an Konfliktverläufen und Handlungs- sowie Verhaltensoptionen in Konflikten bedarf der Gruppe, um alltagsnahe Situationen darzustellen und auf verschiedenartige Erfahrungen zurückgreifen zu können. Der Raum der Jungen*gruppe wird zum Probier- und Experimentierfeld für alternative Verhaltensmöglichkeiten.
Die Arbeit in der Gruppe bedarf eines vertrauensvollen Rahmens, der durch das gemeinsame Aufstellen von Regeln sowie deren Durchsetzung durch die Teamer gesetzt und gehalten werden muss. Zudem macht die gewählte Arbeitsform - bedingt durch die Dynamik der Gruppe - über die thematische identitätsfördernde und Selbstbehauptungsarbeit eine Kennenlern- und Aufwärmphase erforderlich sowie vertrauensfördernde Maßnahmen und kooperative Übungen.
Die Gruppe bietet darüber hinaus auch den Rahmen, die von den Jungen* dargebotenen Selbstinszenierungen aufzugreifen, zu thematisieren sowie auf ihren Nutzen und ihre Relevanz zu überprüfen. Ebenso werden die gelebte Vielfalt von Junge*Sein und Männlichkeitsvorstellungen sichtbar und können thematisiert und hinterfragt werden.

Unser Verständnis von Selbstbehauptung
Unter Selbstbehauptung verstehen wir "... die Fähigkeit, sich aufgrund eines guten Kontakts zu sich selbst produktiv auf Mitmenschen einlassen zu können. neben der Fähigkeit, eigene Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche wahrnehmen und darstellen zu können, stellt die zwischenmenschliche Konfliktkompetenz den zentralen Baustein zur Selbstbehauptung dar. Das beinhaltet auch, die Anliegen des jeweiligen Gegenübers verstehen und respektieren zu können. Schließlich geht es darum, die unterschiedlichen Bedürfnisse angemessen kompromissbereit aushandeln zu lernen. Selbstbehauptung offenbart sich damit im Kern als soziale Kompetenz." (mannigfaltig e.V. 2007, 30f.)
Leitziel in der Selbstbehauptungsarbeit mit Jungen*
In der Selbstbehauptungsarbeit geht es insbesondere darum, "... Jungen hinsichtlich einer Sensibilisierung für Alltagskonflikte, der Eigen- und Fremdwahrnehmung und der Gewahrwerdung eigener Bedürfnislagen wie hervorgehoben auch derjenigen ihrer jeweiligen Gegenüber nachhaltig zu schulen. In der steten Abfolge von Übungen und Spielen und Gesprächen in vertrauensvoller Atmosphäre erleben Jungen Solidarität und erfahren, dass sie mit ihren emotionalen Bedürfnissen und Nöten unter Jungen nicht allein sind. Das Thema Männlichkeit wird auf allen Ebenen eingeflochten, um die Jungen nachvollziehen zu lassen, in welchen Momenten sie auf welche Weise durch vorgegebene Bilder von Männlichkeit beeinflusst (und manipuliert) werden. Jungen entdecken [...], warum sie wann welche (geschlechtstypischen) Strategien verfolgen und üben gegebenenfalls sozial- und persönlichkeitsverträglichere Handlungsalternativen ein." (mannigfaltig e.V. 2007, 14)

 

Pfeile.png

Lernlogik in den Selbstbehauptungskursen für Jungen*
In den Selbstbehauptungskursen für Jungen* verfolgen wir folgende Lernlogik:
"1. sich selbst spüren
2. sich selbst achten und wertschätzen
3. sich selbst anerkannt fühlen
4. sich selbst einordnen
5. sich selbst ausdrücken und zeigen lernen
6. für sich selbst eine angemessene Sprache finden
7. die Erfahrungen mit sich selbst auf Andere übertragen
8. Anderen zuhören
9. Andere verstehen
10. Andere respektieren
11. Andere kritisieren
12. selbst Kritik zulassen
13. selbst Kompromisse ausdenken
14. selbst mit Anderen streiten und verhandeln" (mannigfaltig e.V. 2007, 37)
Lebensweltorientierung

Wer über mehr Handlungs- und Verhaltensoptionen in verschiedenen Alltagssituationen verfügen kann. kann adäquater und passender auf die ihn betreffenden Anforderungen reagieren. Deshalb wollen wir den Jungen* Impulse geben, ihr Handlungsrepertoire zu erweitern und Kriterien an die Hand geben, um selbst verantwortlich entscheiden zu können, auf welche Strategien sie in der jeweiligen Situation zurückgreifen. Die Bewusstwerdung eigener, handlungsleitender Werte kann dazu führen, dass die Jungen* weniger grenzüberschreitend agieren.
Im Selbstbehauptungstraining wollen wir die Jungen* durch die Bewusstmachung ihrer Stärken, Ressourcen und Potenziale dazu anhalten, eine eigene, stabile Identität aufzubauen, so dass diese nicht auf der Abwertung anderer Menschen basiert, was einerseits sehr fragil ist, andererseits auch immer dazu zwingt, andere Menschen oder Menschengruppen fortwährend abzuwerten, um den eigenen Selbstwert zu erhöhen.
Darüber hinaus wollen wir die Lebensweltorientierung der Selbstbehauptungstrainings insbesondere auch dadurch gewährleisten, dass wir bei der Bearbeitung von Konfliktsituationen die durch die teilnehmenden Jungen* in ihrem Alltag erfahrenen Konflikte sowie ihre Umgangsweisen mit diesen und alternative Handlungsmöglichkeiten aufgreifen.

Vorgehensweise/ Handlungsziele in der Selbstbehauptungsarbeit mit Jungen*

Entsprechend des Alters und der Gruppenzusammensetzung werden im Rahmen der Selbstbehauptungsarbeit mit Jungen* in Anlehnung an mannigfaltig e.V. (2007, 16 und 62) folgende Aspekte eingehend bearbeitet:

 

IMG_0049.JPG

Themen der Selbstbehauptungsarbeit mit Jungen*
  • Begegnung und Kontakt mit Anderen,
  • Nähe und Distanz im Umgang mit anderen Menschen,
  • eigene Stärken, Ressourcen und Potenziale,
  • Wahr- und Ernstnehmen der eigenen Gefühle,
  • Selbst- und Fremdwahrnehmung,
  • Stärke, Kraft und Power,
  • Erfahrungen von Macht und Ohnmacht,
  • eigene Grenzen wahrnehmen und setzen,
  • die Grenzen anderer Menschen erkennen, respektieren und wahren,
  • Gewalt,
  • Verhaltensmöglichkeiten in Konflikten,
  • Vertrauen in sich selbst und in andere Menschen,
  • Kooperation mit anderen,
  • Hilfe holen,
  • Junge*-Sein.
Methoden der Selbstbehauptungsarbeit mit Jungen*
Die methodische Herangehensweise ist immer abhängig vom Alter der Jungen* sowie der Größe und Zusammensetzung der Gruppe. Die Methodenauswahl sollte abwechslungsreich und vielfältig sein sowie auch auf spielerische und bewegungsorientierte Zugänge zurückgreifen.
 
Insbesondere können Methoden aus folgenden Bereichen geeignet sein und kommen in unseren Kursen zum Einsatz:
 
Wichtig ist aus unserer Sicht, das in den Übungen Erlebte gemeinsam mit den Jungen* zu reflektieren und zu verbalisieren (auszudrücken) sowie den Transfer der gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen in den Alltag vorzunehmen.
 
Wir greifen im Rahmen der Selbstbehauptungsarbeit mit Jungen* nicht auf Selbstverteidigungsübungen und -methoden zurück, da es uns um die Entwicklung einer inneren Haltung geht, die Selbstbehauptung ohne Gewaltstrategien ermöglicht.
Defensive Anteile von Selbstverteidigung hingegen sind durchaus auch Teil der Arbeit und kommen z.B. schon in einer gewaltfreien Abgrenzung gegen Andere zum Ausdruck.
Kampforientierte Spiele und Übungen kommen insbesondere zum Einsatz, um Fairness, Regelverhalten usw. zu thematisieren bzw. auch körperliche Nähe und eigene sowie fremde Grenzen zu erfahren.
 
Teamer

Im Selbstbehauptungstraining arbeiten arbeiten wir in der Regel im Tandem, d.h. zwei Teamer werden die teilnehmenden Jungen* während der zwei Tage begleiten und einen solchen Rahmen schaffen, der die vertrauensvolle Atmosphäre entstehen läßt, die für die Arbeit an den heiklen Themen notwendig ist.
Die Teamer haben eine pädagogische Ausbildung sowie langjährige Erfahrungen im Bereich der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, insbesondere mit Jungen* und Jungen*gruppen.

Organisatorisches

An jedem Kurs können maximal 8 Jungen* teilnehmen. Nach erfolgter Anmeldung führen wir ein Vorgespräch mit den Eltern und dem jeweiligen Jungen*, um gemeinsam zu entscheiden, ob der Kurs das richtige Angebot für ihn ist.

Nach Eingang der Anmeldung erhalten Sie von uns eine Anmeldebestätigung per Mail, telefonisch oder per Post. Sollte der Kurs bei Eingang Ihrer Anmeldung schon ausgebucht sein, melden wir uns umgehend.

Die Jungen* benötigen für den Kurs bequeme Kleidung.

Die Kurse finden in unserer Fachstelle geschlechtersensible Kinder- und Jugendarbeit (Drackendorfer Straße 12a, 07747 Jena) statt und beginnen dort pünktlich zu den angegebenen Zeiten.

Kursgebühren

Die Kursgebühren betragen 20,00 € pro Person. Ermäßigungen sind nach vorheriger Rücksprache möglich.

Termine, Flyer & Anmeldung 2024

Die Kurse finden an folgenden Terminen statt:

Zielgruppe Termin
Jungen* 12-14 Jahre 16./17.02.2024
Jungen* 9-11 Jahre

verschoben auf 17./18.01.2025

Es sind noch Anmeldungen möglich.

 

Die aktuellen Termine finden Sie auch in unserem Flyer.

Zur Ansicht oder zum Download des Flyers und der Anmeldung klicken Sie bitte auf den nebenstehenden Button.

    Flyer_Selbstbehauptungskurse Jungen 2024.jpg


Termine, Flyer & Anmeldung 2025

Die Kurse finden an folgenden Terminen statt:

Zielgruppe Termin
Jungen* 12-14 Jahre 07./08.02.2025
Jungen* 9-11 Jahre 21./22.11.2025

 

Die aktuellen Termine finden Sie auch in unserem Flyer.

Zur Ansicht oder zum Download des Flyers und der Anmeldung klicken Sie bitte auf den nebenstehenden Button.

    Flyer_Selbstbehauptungskurse Jungen 2025.jpg


Verwendete und weiterführende Literatur

AG Freizeit e.V. (Hrsg.) (2013): Männerrunde. Selbstbehauptungstraining für Jungen und Männer mit kognitiven Beeinträchtigungen. Ein Handbuch.
ax-o e.V. Aachen (Hrsg.) (2014): Handbuch Jungenarbeit. Aus der Arbeit mit Jungengruppen.
mannigfaltig e.V. - Verein für Jungen- und Männerarbeit (Hrsg.) (2007): Jungen stärken. Selbstbehauptungskurse: Konzeption, Haltung, Ziele und Durchführung.